jauchzen ächzen andersmachen

für ulrike bergermann

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jauchzen ächzen andersmachen

„Protestperlen“ ist ein Geschenk für Ulrike Bergermann zum 60. Geburtstag.
Mit „Protest“ und „Perlen“ scheinen uns die vielfältigen Relationen treffend charakterisiert, die Ulrike mit Menschen aus unterschiedlichsten Feldern verbindet.
Gemeinsam jauchzen wir, ächzen wir und gemeinsam wollen wir Dinge andersmachen!
Um Ulrike und ihre Großartigkeit zu feiern, haben wir Freund*innen und Kolleg*innen eingeladen Perlen für diese Website beizutragen – Euch allen sei herzlich gedankt!

Initiative, Idee, Konzept und Koordination:
Andrea Seier, Christine Krischan Hanke, Henriette Gunkel, Nanna Heidenreich, Sybille Bauriedl.

Graphisches Konzept, Layout und Umsetzung:
Fritz Laszlo Weber.

28.02.2024

Mit Beiträgen von

Hinweis zur Nutzung

Protestperlen, die auf diesem Computer noch nicht besucht wurden, haben einen leuchtenden Schatten. Nach dem Besuch verschwindet der Schatten. So sind unbesuchte Protestperlen leicht visuell erkennen.
Der Speicher für besuchte Protestperlen kann über diesen Link zurückgesetzt werden. Danach leuchten wieder alle Perlen.

Heike Klippel

Puce Moment – „Leaving My Old Life Behind“

(Kenneth Anger 1949)

Abb. 1 Hollywood-Kostüme
„And so I decided
 To leave my old life behind
 I don’t need it anymoreI’m gonna learn to fly the clouds
 I’m gonna understand the air
 My mind will listen to the stars“

– singt Jonathan Halper,1 dazu sehen wir einen Tanz von Kleidern in traumhaften Farben, zarte Stoffe, transparent glänzend, bestickt, glitzernde Steine, Pailletten, seidene Fransen. (Abb. 1)

Bläulich-dunkles Strahlen und Leuchten, das als Star-Ikone geschminkte Gesicht der Hauptdarstellerin, ihre nackten Schultern, ihr verzückter Blick und ihr Lachen als Vorfreude auf das Anlegen des Kleides – bis es schließlich an ihr heruntergleitet. Puce ist seine Farbe, grün-violett, die schillernde Farbe der Insekten (Abb. 2, 3). Dann Türkis-Töne: Ein weiches Kissen, Seidenschuhe, türkisgrün lackierte Nägel. Alles glänzt (Abb. 4, 5).

Abb. 2 Puce
Abb. 3 Puce Moment
Abb. 4 Satin-Schuhe
Abb. 5 Flakons

Das Bild einer Rose, umgeben von farbigen Stoffen, über einen Spiegel drapiert, davor leuchtende Glasflakons in unzähligen Farben, Spiegel, Perlen, Vasen, ihre Hand greift zum giftig-grünen Flakon, und langsam wird der Duft appliziert.

Expressive Gesten betonen jedes Detail der Bewegung, die mit maßloser Grandeur ausgeführt wird, bis die Frau schließlich in eine mit Stoff drapierte Ottomane sinkt, ermattet, mit ekstatisch in die Ferne gerichtetem Augenaufschlag.

Es folgt das nächste Lied, „yes I am a hermit, and extasy’s my game“, der Busen hebt und senkt sich, die Hand richtet das weiche Kissen unter dem Kopf.

Über das Close-up der in erregter Anspannung ruhenden Frau legen sich Schatten, ein kurzfristiges Aufatmen im Dunkeln, ein Senken der Lider, ein Lächeln der Erinnerung. Die Ottomane schwankt leicht, eine Reise ins Land der Träume.

Daraus auftauchend das Sofa im Licht der Sonne Hollywoods, ein Schwenk zeigt die Hügel Hollywoods in den gleichen verschwommen glänzenden Farben wie zuvor das Interieur, davor die LIege mit der Diva und dramatisch aufgeschlagenen Augen (Abb. 6).

Russische Windhunde tauchen auf, elegant mit glänzendem Fell, ihre Herrin schaut sich um die Kulisse im traumhaften milchigen Blau der Villa und der Hügel. Die Kamera gleitet an ihr und an den Hunden entlang, eine zarte Brise bewegt alles.

Schließlich schreitet sie die Treppe hinab, würdevoll, erfüllt von der eigenen Grandiosität, hinter ihr der blaue Himmel Hollywoods, beobachtet von einer geheimnisvollen schwarz-weißen Figur über ihr (Abb. 7). War er es, dem ihr müde-herablassender Blick über die Schulter gegolten hatte?

Puce Moment ist ein Film über das Begehren nach einem Kino der Vergangenheit, nach seinem Leuchten, seiner Großartigkeit, aber auch seinem Kitsch und seinem Überfluss, nach direkter, offensichtlicher Attraktion. Die Schönheit des bunten Glanzes und der melodramatischen Geste benötigt keine Schulung des Geschmacks, keine ästhetische Erziehung. Sie verwirklicht sich im Anblick schillernder Objekte, die kein Ensemble bilden müssen, dafür aber viele sind. Viel Glanz, viele Farben, viel Licht, viel Dunkel, viele Schleier, viele Enthüllungen, viele Kleider, von der Kamera verlebendigt – materielle Herrlichkeiten, nicht für den Besitz, sondern sich erschöpfend im Anblick.

Abb. 6 Hollywoods Hügel
Abb. 7 Herabschreiten

  1. Halper ist ein weitgehend unbekannter britischer Psychedeliker der 1960er Jahre, von dessen „Leaving My Old Life Behind“ es eine Reihe von Cover-Versionen gibt, die bekannteste von Franz Ferdinand.