jauchzen ächzen andersmachen

für ulrike bergermann

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jauchzen ächzen andersmachen

„Protestperlen“ ist ein Geschenk für Ulrike Bergermann zum 60. Geburtstag.
Mit „Protest“ und „Perlen“ scheinen uns die vielfältigen Relationen treffend charakterisiert, die Ulrike mit Menschen aus unterschiedlichsten Feldern verbindet.
Gemeinsam jauchzen wir, ächzen wir und gemeinsam wollen wir Dinge andersmachen!
Um Ulrike und ihre Großartigkeit zu feiern, haben wir Freund*innen und Kolleg*innen eingeladen Perlen für diese Website beizutragen – Euch allen sei herzlich gedankt!

Initiative, Idee, Konzept und Koordination:
Andrea Seier, Christine Krischan Hanke, Henriette Gunkel, Nanna Heidenreich, Sybille Bauriedl.

Graphisches Konzept, Layout und Umsetzung:
Fritz Laszlo Weber.

28.02.2024

Mit Beiträgen von

Hinweis zur Nutzung

Protestperlen, die auf diesem Computer noch nicht besucht wurden, haben einen leuchtenden Schatten. Nach dem Besuch verschwindet der Schatten. So sind unbesuchte Protestperlen leicht visuell erkennen.
Der Speicher für besuchte Protestperlen kann über diesen Link zurückgesetzt werden. Danach leuchten wieder alle Perlen.

Hartmut Winkler

Das Medium seiner Träume.
Der Theorie-Diskurs-Übersetzer-Komparator-Verdichter (ThDTCC™)
 

Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus dem Gemälde von Pieter Bruegel, dem Älteren, mit dem Titel „Der Turmbau zu Babel“ von 1563

Der alte weiße Mann und die feministische Wissenschaftlerin/Aktivistin mögen sich wirklich. Und nach 25 Jahren vielleicht mehr als am Anfang; für den alten weißen Mann ist das eine Freude. Beide treffen sich etwa einmal im Jahr, und immer geht’s dabei auch um wichtige Dinge.

Und wenn es beim Reden manchmal schwieriger wird, dann immer am gleichen Punkt: Strittig ist die wissenschaftliche Herangehensweise. Der a. w. M. ist analysebesessen. Er legt die Dinge gern auseinander und kann sich eigentlich nicht vorstellen, wie man anders als zergliedernd mit Komplexität umgehen kann.

Die Wissenschaftlerin ist eine halbe Generation jünger, im Feld der Gender-, Queer- und Postcolonial Theorien selbstverständlich zuhause, und entsprechend – was den theoretischen Rahmen angeht – auf einem aktuelleren Stand: Sie misstraut Binarismen, vorschnellen Abstraktionen und unmarkiert männlichen Wahrheitsansprüchen, will grundsätzlich wissen, von welchem Standort aus welche Unterscheidung oder Aussage getroffen wird, welche Machtasymmetrien die jeweilige Frage enthält…

Das kritische Potential dieser Fragen sieht der a. w. M. völlig ein. Eine männlich dominierte Naturwissenschaft hat eine Technik hervorgebracht, die – monströs, gefährlich und in jeder denkbaren Hinsicht biased – alle Objektivitätsansprüche verhöhnt; die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sind in die gesellschaftliche Maschine, die blinder, ungerechter und parteiischer kaum sein könnte, tief involviert.

Die Muße seines Ruhestands hat der a. w. M. deshalb genutzt, sich zumindest in die New Materialists etwas einzulesen; die Einführung von Hoppe/Lemke, dann Haraway, noch einmal Butler, dann Barad, Grosz, Bennett, Tsing und Cool/Frost…; ein ausgedehntes Feld zwischen Science-and-Technology-Studies, Gender und Philosophie…

Was die Sache angeht, war das wirklich erhellend; und gleichzeitig mehr als befremdlich. Wenn Barad, um ein Beispiel herauszugreifen, in einem 30-Seiten-Aufsatz einen gordischen Knoten aus Ontologie, Epistemologie, Wissenschaftstheorie, Geschlechtertheorie, Handlungs- und Sprachtheorie, Politik und schließlich Ethik/Moral zuerst knüpft, um ihn dann mit einer Handvoll selbstgewählter Begriffe kühn zu durchschlagen, hält der a. w. M. das für meschugge. Und zwischen Neugier und Befremden, sachlichem Interesse und innerem Widerstand ist der emotionale Aufwand groß.

Und hier nun kommt das ‚Medium seiner Träume‘ ins Spiel. Der a. w. M. braucht einen Theorie-Diskurs-Übersetzer. Wo DeepL im linken Fenster das fremdsprachige Original, und rechts eine keineswegs makellose, immerhin aber lesbare, deutsche Version präsentiert, müsste der Theorie-Diskurs-Übersetzer links den Ausgangstext, und rechts eine Version bieten, die – mehr oder minder – die eigene Theorie-Sprache spricht. 

Zusätzlich müsste der Algorithmus – gelb hinterlegt – die Anknüpfungspunkte zum eigenen Weltbild und zu den eigenen theoretischen Annahmen zeigen. Ein Beispiel:

Der a. w. M. hat sein wissenschaftliches Dasein der Frage gewidmet, wie man Diskurs und Struktur, Sprechen und Sprache, Praktiken und materielle Niederlegungen (Texte, symbolische Systeme, Dinge, Technik) einigermaßen plausibel aufeinander beziehen kann. Nun entdeckt er bei den New Materialists das Konzept der Materialization / Sedimentation (und zwar schon 1993 – vor dreißig Jahren! – bei Butler! Und von dort aus weiter ausgearbeitet und differenziert). Kann es sein, dass die Autorinnen exakt die gleiche Frage verfolgen? Gibt es Gemeinsamkeiten, die der Diskurs-Übersetzer mühelos auffinden würde?

Materialization geht ja von der Vorstellung aus, dass es Praktiken sind, die die materiellen Dinge und Strukturen (und ihre Grenzen) hervorbringen. Die Praktiken haben ein Primat; gleichzeitig aber will man – materialistisch eben – auch der Materialität der Dinge gerecht werden.

Und ähnlich vielleicht im Fall der ‚Performativität‘, einem Konzept, gegen das der a. w. M. immer polemisiert hat. Performativität hat den Defekt, dass sie meist als präsentisch gefasst wird; Wiederholung wird zwar behauptet, ohne aber gleichzeitig zuzugestehen, dass Wiederholung immer Dekontextualisierung bedeutet; und Dekontextualisierung – in Spannung eben zu jeder ‚Situiertheit‘ – zwangsläufig Abstraktion.

Ginge es also nur darum, die beiden Konzepte auf intelligente Weise zusammenzuführen? Wäre die Performativität mit der Materialization / Sedimentation zu reparieren?

Ohne technische Hilfsmittel kann der alte Mann all das nicht entscheiden. Und weil es Mühe macht, sich in unvertraute Theoriediskurse neu einzulesen (zumal für Rentner, die einerseits Zeit haben, denen andererseits aber immer weniger Zeit dafür bleibt), müsste auf der linken Seite noch ein Diskurs-Verdichter (DC™) vorgeschaltet werden, der größere Textvolumina auf eine handhabbare Größe bringt.

Soweit die technische Skizze. Die Sache zu programmieren, ist sicher nicht einfach. Aber glücklicherweise hat der alte weiße Mann ja die Gespräche…